"Mangelnde Methodik kann Forschern auf die Füße fallen"
Interview mit Prof. Dr. Frank Ückert über die Zielsetzungen und ersten Erfahrungen mit der TMF-School
Prof. Dr. Frank Ückert
Juni 2012. Nach einer erfolgreichen Pilotveranstaltung im Herbst 2011
führt die TMF vom 4. bis 6. Juli 2012 zum zweiten Mal die TMF-School durch, ein
speziell für Verbundforscher entwickeltes Fortbildungsprogramm. Prof. Dr. Frank
Ückert erklärt im Gespräch mit der TMF, welche Lücke dieses Angebot schließt und warum
Nachwuchswissenschaftler in der Verbundforschung mehr Methodenwissen benötigen.
Herr Professor Ückert, Sie sind Leiter des
Kuratoriums, das das Curriculum für die TMF-School entwickelt hat. Aus welchem
Grund wurde die TMF-School initiiert und an wen wendet sie sich?
Die TMF-School adressiert eine Lücke in der bestehenden Ausbildung von
medizinischen Forschern. Von ihnen wird immer häufiger gefordert, im Verbund zu
forschen. Die dafür benötigten Methoden werden jedoch nicht gelehrt. Die
TMF-School wendet sich deshalb an Nachwuchswissenschaftler, die bereits
verstanden haben, dass sie nur gemeinsam vorankommen, denen jedoch die
umfassende Erfahrung in der Arbeit mit medizinischen Forschungsverbünden noch
fehlt. Da sich die Aufgaben in der
Verbundforschung häufig über viele Jahre erstrecken, werden wir von der
größeren Methodenkompetenz der Forscher, die wir jetzt sensibilisieren, in ca.
drei bis fünf Jahren profitieren.
Welches Anliegen verbinden Sie persönlich
mit der TMF-School?
Ich habe als
Querschnittswissenschaftler schon oft das Gefühl gehabt, zu spät in Projekte
einbezogen worden zu sein. Das ist sehr frustrierend. Schon in der Antragsphase
kann mangelnde Methodik Forschern auf die Füße fallen, denn Gutachter erkennen,
ob es sich nur um einen losen Verbund ohne gemeinsame Infrastruktur handelt
oder nicht. Infrastrukturen wie Datenbanken, Register etc. werden häufig nicht
beantragt, müssen nachher aber trotzdem irgendwie aufgebaut werden.
Ist die Hürde der Antragstellung
erfolgreich gemeistert und die Förderzusage erfolgt, denken die Antragspartner
eines Konsortiums anfangs meist nur inhaltlich. Damit laufen sie in eine Falle,
denn sie machen sich keine Gedanken über die Methoden. Was muss der Patient
unterschrieben haben? Wem darf ich Zugang zu meinen Forschungsdaten geben?
Umfasst dies auch die den Patienten identifizierenden Daten oder nicht? Für
diese Fragen nehmen sich die Forscher keine Zeit, weil sie ja forschen und
Ergebnisse produzieren wollen. IT-Spezialisten werden sehr häufig zu spät in
diese Fragen einbezogen. Deshalb muss das Methodenwissen unter den
Wissenschaftlern selbst verbreitet werden. Dies ist der Ansatz der TMF-School.
Unsere Teilnehmer sollen schon vor der Bildung eines Konsortiums Aufwände
abschätzen und Prioritäten setzen können, zu denen beispielsweise die IT
gehört.
Was sind die Schwerpunktthemen auf dem Lehrplan?
In den Veranstaltungen der
TMF-School geht es im Wesentlichen um Informationstechnologie
im Verbund, Register, Biobanken-IT und Probenmanagement, aber auch um Themen wie Ethik, Datenschutz und
Förderstrukturen. Wichtig ist uns, dass
alles schnell in die Praxis
umsetzbar ist. Wir arbeiten immer mit einem beispielhaften Verbund, anhand dessen die Teilnehmer
lernen. Bei der letzten TMF-School hatten wir ein Beispiel aus der Dermatologie, dieses Mal geht es um einen
Verbund, der sich mit Rezidiven von
Sarkomen (Onkologie) befasst.
Wie zufrieden sind Sie mit der
bisherigen Resonanz auf das Angebot der TMF-School?
Damit bin ich sogar sehr zufrieden! Schon
der zweitägige Pilotdurchlauf im November 2011 war stark nachgefragt, und auch
dieses Mal war die Veranstaltung in kürzester Zeit ausgebucht. Im Sommer 2012
erstreckt sie sich über drei Tage, sodass ausreichend Zeit bleibt für
Gemeinschaftsarbeit und Diskussionen. Basierend auf den Erfahrungen des letzten
Mals konnten wir das Programm schärfen. Ich denke, dass wir auf einem guten Weg
sind, auch wenn wir uns derzeit noch auf Neuland bewegen, da es für diese
Zielgruppe bislang keinerlei Angebote gab.
Was verbirgt sich hinter der
„TMF-School extra“, die erstmals vom 24. - 28. September 2012 in Berlin stattfindet?
Dadurch dass die TMF eine kritische Größe
überschritten hat, kann sie mit der großen Zahl der ihr angehörenden
Mitgliedsverbünde heute mehr bewirken als noch vor einigen Jahren. So werden
beispielsweise auch Weiterbildungen mit Gastwissenschaftlern möglich. Bei der „TMF-School extra“ wird ein topaktuelles Thema durch einen
oder mehrere hochrangige Experten behandelt – die gegebenenfalls auch aus dem
Ausland kommen – und an die man nur als Gruppe herankommt.
Was ist der langfristige Plan für die
TMF-School – wohin soll sie sich entwickeln?
Die TMF-School befindet sich auf dem Weg zu einer Marke für wissenschaftliche Fort- und Weiterbildungen.
Wir freuen uns, dass sie so gut ankommt. Im Detail werden wir anhand des Teilnehmerfeedbacks die
Veranstaltungen noch weiter professionalisieren. Doch auch der Networking-Aspekt ist aus unserer
Sicht enorm wichtig. Deshalb achten wir auf gemütliche Veranstaltungsorte, an
denen eine fast familiäre Atmosphäre entsteht. Auf mittlere Sicht ist es unser Ziel, an jedem
Verbundforschungsstandort einen Absolventen der TMF-School zu haben. Dieser
kann dann neue Verbünde vor Ort beraten und die typischen Anfangsfehler
vermeiden helfen. Die deutsche Forschungslandschaft wird davon profitieren.
Herr Professor Ückert, haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch.
Das
Interview führte Beate Achilles.
- Terminseite: TMF-School 2012
- Bericht zur TMF-School 2012
- Bericht zur TMF-School 2011
- Terminseite: TMF-School extra: Logical reasoning in Human Genetics
Prof. Dr. Frank Ückert ist Professor für
Medizinische Informatik in der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und
Vorstandsmitglied der TMF.