„Eine enorme Arbeitserleichterung“
Prof. Dr. Dr. Jens Habermann, Koordinator der Norddeutschen Tumorbank Darmkrebs (ColoNet), über das neue Projektportal im Deutschen Biobanken-Register
Prof. Dr. Dr. med. Jens Habermann
Mai 2013. Wer
Ursache und Verlauf von Krankheiten auf molekularer Ebene aufklären und neue
Therapien entwickeln möchte, benötigt für entsprechende Forschungsprojekte spezifische
humane Bioproben und die zugehörigen Daten. Um Forschern die Suche nach dem
passenden Material zu erleichtern, hat das Fraunhofer-Institut für
Biomedizinische Technik IBMT das Projektportal entwickelt,
das im April 2013 im Rahmen des Deutschen Biobanken Registers freigeschaltet wurde. Prof. Dr. Dr. Jens Habermann,
Universität zu Lübeck, erklärt im Interview, warum es für Forscher so wichtig
ist, verschiedenartige Biobanken simultan fall- und probengenau durchsuchen zu
können und wie auch die Biobanken selbst von dem neuen Portal profitieren.
Das Interview führte Beate Achilles.
Herr Professor Habermann, Sie sind Koordinator
des ColoNet. Welche Art von Geweben und Proben sammeln Sie in der Norddeutschen
Tumorbank Darmkrebs?
Wir sammeln im Rahmen des Verbundes ColoNet an den drei
Standorten Hamburg, Rostock, Lübeck seit Mitte der 1990er-Jahre Gewebeproben
und Körperflüssigkeiten. In der Norddeutschen Tumorbank Darmkrebs finden sich
zwischen 4000 und 5000 Proben von Normal- und Tumorgewebe, sowohl vom
Primärtumor aber auch von Metastasen, Adenomen und Polypen. Daneben sammeln wir
Blut, aus dem wir DNA, RNA und Serum gewinnen
sowie anderes Material, wie beispielsweise Peritonealflüssigkeit, eine freie
Körperflüssigkeit im Bauchraum. Außerdem interessieren uns zirkulierende
Krebszellen und Knochenmarkstanzen. Vor allem in Rostock gibt es zudem primäre Zellkulturen als Zellmodelle, an
denen man Therapien testen kann. An den drei Standorten behandeln wir ca. 100 Darmkrebspatienten.
Welche Forschungsfragestellungen
könnten mithilfe dieser Proben beantwortet werden?
Unser Ziel ist es, den ganzen Behandlungspfad von der
Diagnose der Erkrankung bis hin zur Prognosestellung und dem Überwachen nach
der Therapie zu verbessern. Wir wollen eine frühe, patientenfreundliche
Diagnose erreichen und eine möglichst individuelle und zielgerichtete Therapie,
Überwachung und Prognose. Dafür führen wir Untersuchungen von DNA, RNA sowie von
Eiweißen im Gewebe und im Blut durch. Aus den Gewebe- und Blutanalysen entstehen
Biomarker, die wir weiterverfolgen. Anhand von Gewebe und Zellkulturen testen
wir, ob Patienten auf bestimmte Therapien ansprechen und passen die Behandlung
entsprechend an.
Wie wurden Sie auf
das Projekt zur Entwicklung eines Projektportals im Deutschen Biobankenregister
aufmerksam?
Professor Ulrich Prokosch von der Universität Erlangen und
Frau Dr. Christina Schröder vom Fraunhofer-Institut für
Biomedizinische Technik (IBMT) waren im P2B2-Projekt bereits aktiv und
haben uns angesprochen. Sie kannten das ColoNet und meinten, dass es gut in den
Kontext hinein passen würde.
Was motivierte Sie
dazu, sich daran zu beteiligen?
Alle Mitglieder des ColoNet hatten schon sehr viel Arbeit
investiert, um unseren Verbund IT-seitig zu harmonisieren, gemeinsame
Datenbanken aufzubauen und die IT-Systeme an den Standorten miteinander kompatibel
zu machen. Allerdings sammeln wir alle Probenmaterial zur gleichen Art von Tumoren.
Interessant am P2B2-Projekt war für uns, dass dort ganz unterschiedliche Biobanken
mit unterschiedlicher Ausrichtung und unterschiedlichen
Probentypen angeschlossen sind. Dies IT-mäßig abzubilden, war ein spezieller
Anreiz und eine besondere Herausforderung.
Weitere Gründe für unsere
Beteiligung an dem Projekt waren die Vernetzung mit verschiedensten Biobanken, die
Erhöhung unserer eigenen Sichtbarkeit und der Zugang zu einem größeren
Probenkatalog. Dies ermöglicht es beispielsweise, die uns bekannten Biomarker
für Darmkrebs mit denjenigen zu vergleichen, die auch bei anderen Erkrankungen,
etwa der Lungenentzündung, eine Rolle spielen. Dazu haben wir jedoch im ColoNet
gar keine passenden Proben. Um diese anzufordern, mussten wir bislang andere
Biobanken einzeln anschreiben. Mit dem Projektportal können wir nun online mehrere
Biobanken parallel nach Proben anfragen – das ist eine riesige Arbeitserleichterung.
Welches sind für Sie
die wichtigsten Vorzüge des Portals?
Das ist ganz klar die Vernetzung mit anderen Biobanken. Der
Mehrwert besteht in dem viel größeren Probenpool, auf den man zugreifen kann. Außerdem erhöht das
Portal die Sichtbarkeit der eigenen Biobank. Das ermöglicht einen besseren
Probenaustausch und steigert im zweiten Schritt den Wert der eigenen Biobank.
Anhand dessen, was abgerufen wird, können wir unsere Bestände optimieren. Eine
wirklich gute und effiziente Biobank sammelt nur die für die Forschung
relevanten Proben und hält diese vor.
Welchen Aufwand
bedeutet es für eine Biobank, ihre Proben und die zugehörigen Daten über das P2B2
Projektportal abrufbar zu machen?
Der Aufwand dafür ist
minimal. Für das ColoNet gab es bereits eine Datenbank mit den entsprechenden
Parametern, die online ständig ergänzt und aktualisiert wird. In bestimmten
Abständen wird die Datenbank unter den Verbundpartnern abgeglichen und dann an das
Projektportal übermittelt. Dort wird sie eingelesen – fertig.
Wie sind die Daten
Ihrer Probanden/Patienten geschützt?
Die Daten sind in unserer eigenen Datenbank pseudonymisiert
abgespeichert, weil sie sich noch im klinischen Kontext befinden. Um sie im
Verbund zusammenzufassen, werden sie ein weiteres Mal pseudonymisiert. Vor dem Export
in das Portal findet eine komplette Anonymisierung statt.
Hat sich durch Ihre
Teilnahme am Projekt die Nachfrage nach den in Ihrer Biobank vorgehaltenen
Proben bereits verändert? Erhalten Sie auch Anfragen aus dem Ausland?
Wir sind erst vor anderthalb Jahren – zur Mitte der
Projektlaufzeit – an Bord gekommen.
Freigeschaltet ist das Projektportal erst seit April 2013 –
der Zeitraum ist also noch zu kurz, um hierüber eine fundierte Aussage treffen
zu können. Das dem P2B2 vorgeschaltete Projekt CRIP läuft hingegen schon länger
– von dort haben wir durchaus Anfragen erhalten. Auf jeden Fall hat sich die Sichtbarkeit
unserer Biobank erhöht. Ich erwarte, dass die Anfragen über das Projektportal mit
der Zeit deutlich zunehmen werden.
Prof. Habermann, wir danken für das Gespräch.
-
Startseite des Projektportals
im Deutschen Biobanken Register
- Pressemitteilung
zur Eröffnung des P2B2 Projektportals
- Homepage
der NorddeutschenTumorbank Darmkrebs (ColoNet)
Prof. Dr. Dr. med. Jens Habermann ist Koordinator der Norddeutschen
Tumorbank Darmkrebs (ColoNet).