„Die hohe Qualität der akademischen Forschung ist eine große Stärke des Forschungsstandortes Deutschland.“
Interview mit Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer für Forschung/Entwicklung/Innovation beim Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa).
Dr. Siegfried Throm
März 2014. Leistungsfähige
Infrastrukturen sind ein zentraler Erfolgsfaktor, um Erkenntnisse der
Grundlagenforschung schneller in medizinische Produkte umsetzen zu können. Die Bundesregierung
hat deshalb vor einigen Jahren übergreifende Fördermaßnahmen für den Aufbau
solcher Infrastrukturen auf den Weg gebracht. Die Koordinierungszentren für Klinische Studien, die Kompetenznetze der Medizin, die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung
und die nationale Kohorte gehören zu den sichtbaren Ergebnissen dieser Bemühungen.
Im Vorfeld seines Vortrags beim TMF-Jahreskongress 2014 erläutert Dr. Siegfried
Throm, welche Bedeutung Infrastrukturen wie diese für die Arzneimittelentwicklung
in Deutschland haben.
Herr Dr. Throm, welche
Infrastrukturen brauchen die forschenden Arzneimittelhersteller, um Medikamente
schneller an den Markt zu bringen?
Unsere
Firmen sind auf eine sehr gute Grundlagenforschung, ein geeignetes Umfeld für
klinische Studien und gute Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wissenschaft und
Industrie angewiesen, damit neue Therapien entwickelt werden und schnellstmöglich
den Patienten zur Verfügung stehen.
Was benötigen sie dafür konkret?
Hilfreich waren und sind zum Beispiel die Koordinierungszentren für klinische Studien. Die Daten, die in den deutschen Kliniken mit ihrer Hilfe erhoben
werden, sind von zuverlässig hoher Qualität, das heißt sie sind lücken- und
fehlerarm. Ein anderes Beispiel sind die Kompetenznetze der Medizin. Sie führen
thematisch verwandte Forschung zusammen, helfen aber auch, zügig interessierte Patienten
für klinische Studien zu rekrutieren. Weitere wichtige Infrastrukturen sind die
Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung. Auch die bereits existierenden krankheitsbezogenen
Register wie auch das im Aufbau befindliche nationale Krebsregister und die nationale Kohorte stellen für die Therapieforschung wertvolle Ressourcen dar.
Wo müssten sich akademische und industrielle Forschung besser miteinander
abstimmen und vielleicht enger zusammenarbeiten?
Für die Arzneimittelentwicklung braucht die Industrie gute
epidemiologische Daten aus der akademischen Forschung, um zu wissen, wie oft
eine Krankheit vorkommt, wie sie verläuft, wie groß der ungedeckte medizinische
Bedarf ist und an welchen Stellen verbesserte Therapien ansetzen müssten. Im
Bereich der Personalisierten Medizin müssen Arzneimittelhersteller und wissenschaftliche
Forschungseinrichtungen enger kooperieren. Wir wissen beispielsweise, dass
heute viele Krebspatienten nicht auf die ihnen zuerst verordneten Medikamente ansprechen;
eine wirksame Therapie wird erst durch Versuch und Irrtum gefunden. Um das zu ändern,
gibt es große Anstrengungen, Biomarker ausfindig zu machen, die den Arzt bei
der Auswahl der geeigneten Medikamente leiten. Industrie und Wissenschaft
kooperieren hier mitunter schon, etwa im Rahmen der Innovative Medicines
Initiative der EU, aber solche Kooperationen sollten noch ausgebaut werden!
Könnten bestimmte Forschungsinfrastrukturen gemeinsam genutzt werden?
Dafür gibt es bereits gut funktionierende Beispiele
wie das Lead Discovery Center in Dortmund, das als Partner für akademische wie
für industrielle Projekte zur Wirkstofferfindung fungiert. Neu sind intensive
Kooperationen, wie die von Bayer HealthCare mit dem Deutschen
Krebsforschungszentrum, oder die von Sanofi und der Charité: Die Charité hat ein Labor eingerichtet,
Sanofi finanziert es. Dort arbeiten Wissenschaftler aus dem akademischen Umfeld
mit denen der Industrie wirklich Hand in Hand zusammen und lernen voneinander.
Wie findet die Industrie die richtigen akademischen Partner für solche
Projekte?
Dafür gibt es spezielle Scouts, die nichts anderes
tun, als Patentschriften durchzusehen, wissenschaftliche Kongresse zu besuchen
und Veröffentlichungen zu lesen. Außerdem gibt es zahlreiche Initiativangebote seitens
der akademischen Forschung für neue Projekte zur Einlizensierung von
Substanzen. Daraus suchen die Arzneimittelhersteller geeignete Projekte aus.
Wie könnte eine gemeinsame Nutzung von Forschungsinfrastrukturen durch
Industrie und akademische Forschung organisatorisch, rechtlich und
technologisch unterstützt werden?
Wichtig sind beispielsweise die Standardisierung und
Vernetzung von Biobanken, die wegen der Biomarker für die
Arzneimittelentwicklung immer bedeutsamer werden. Hier kann eine Organisation
wie die TMF einen wichtigen Beitrag leisten. Die TMF trägt auch wesentlich dazu
bei, die IT-Infrastruktur für die patientenorientierte medizinische Forschung
zu verbessern, für Datenkompatibilität, Datenschutz und Qualitätsmanagement zu
sorgen und die Rahmenbedingungen für die Forschung zu verbessern.
Der Berührungspunkt ist also da, wo die TMF für ein hohes
Qualitätsniveau der akademischen medizinischen Forschung sorgt und Forscher auf
bestimmte Missstände aufmerksam macht. So wird das Niveau der akademischen
Forschung insgesamt gehoben und das nützt dann der Pharmaindustrie?
Genau – und da gibt es noch einiges zu tun. Ich
erinnere an eine Diskussion über die Zuverlässigkeit der Krebsforschungs-Ergebnisse
aus akademischen Einrichtungen, die kürzlich stattgefunden hat. Sie entzündete
sich daran, dass oft Ergebnisse der Grundlagenforscher in Industrielabors
überhaupt nicht nachvollzogen werden konnten. Das muss nicht heißen, dass die betreffenden
Grundlagen-Ergebnisse falsch waren. Vielleicht waren einfach nur die
Fachpublikationen darüber nicht gut oder nicht ausführlich genug geschrieben.
Aber das Beispiel verdeutlicht, dass es hier noch manches zu verbessern gibt.
Wie könnte die Politik die forschenden Arzneimittelhersteller noch besser
unterstützen?
Man kann immer noch etwas besser machen, aber
insgesamt sind wir zufrieden mit den Forschungsprogrammen, die die
Bundesregierung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht hat. Damit meine ich beispielsweise die Programme
zur Stärkung der klinischen Forschung und die Hightech-Strategie. Sie
beinhaltet ein sehr großes Gesundheitsforschungsprogramm mit einem Schwerpunkt im
Bereich der Personalisierten Medizin. Was Deutschland aber weiterhin fehlt, ist
eine steuerliche Forschungsförderung. Fast alle anderen Industrienationen haben
sie.
Die Aufhebung des Kooperationsverbots ist im neuen Koalitionsvertrag
kein Thema. Wäre das nicht verbesserungswürdig?
Ich habe nachgefragt, warum das Kooperationsverbot im
Koalitionsvertrag nicht adressiert wurde. Darauf hat man mir geantwortet, es
müsse ja nicht alles im Koalitionsvertrag geregelt werden. Die Politik wisse,
dass das ein brennendes Problem ist und werde sich mit Nachdruck darum kümmern.
Was werden
die Kernaussagen Ihres Vortrags beim TMF-Jahreskongress sein?
Für forschende Arzneimittelhersteller ist eine exzellente akademische Forschung
absolut essentiell. Das ist das wichtigste Kriterium unserer Mitgliedsunternehmen
für die Standortwahl für ihre eigene Forschung. Die hohe Qualität der akademischen
Forschung ist eine der großen Stärken Deutschlands. Es gibt bereits eine große
Zahl an Kooperationen zwischen den forschenden Pharma-Biotech Firmen und der
akademischen Forschung, wie ich an Beispielen zeigen werde. Diese Kooperationen
sollten weiter ausgebaut werden. Denn sie sind Erfolgsfaktoren für die
translationale Medizin und die schnellere Umsetzung von Forschungsergebnissen in
Medikamente und neue Therapien.
Herr Dr. Throm, wir danken für das Gespräch!
Das Interview führte Beate Achilles.
Weiterführende Informationen
- TMF-News: Interview mit Prof. Dr. Heyo K. Kroemer zu Forschungsinfrastrukturen an medizinischen Fakultäten | März 2014
- TMF-Jahreskongress 2014 | 02.-03. April 2014 | Jena: Programm und Anmeldung
- Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V. (vfa)
- Koordinierungszentren für klinische Studien
- Kompetenznetze der Medizin
- Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung
- Nationale Kohorte
- Lead Discovery Center
- Hightech-Strategie der Bundesregierung