„Datenschutz und Ethik sind vernachlässigte Themen der Medizinerausbildung“
Interview mit Petra Duhm-Harbeck und Gisela Antony zum Beratungsservice der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz
Gisela Antony und Petra Duhm-Harbeck
Dezember 2015. Das Interdisziplinäre Centrum für
Biobanking-Lübeck hat ein Datenschutzkonzept auf Basis der generischen Konzepte
der TMF entwickelt und ein Votum der TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz eingeholt. Petra
Duhm-Harbeck (Lübeck) und Gisela Antony (Marburg) schildern im Interview den
Ablauf des Verfahrens und erläutern, wie der Beratungsservice der Arbeitsgruppe
Forschungsprojekte unterstützen kann.
Das Gespräch wurde anlässlich eines Treffens zum Erfahrungsaustausch der Berichterstatter für die AG Datenschutz am 17. Dezember 2015 in Berlin geführt.
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Frau Duhm-Harbeck, Sie haben ein Datenschutzkonzept für das
Interdisziplinäre Centrum für Biobanking-Lübeck, kurz ICB-L, entwickelt. Wie
sind Sie da herangegangen und was war die Herausforderung?
Duhm-Harbeck: Das
ICB-L ist eine zentralisierte Biobank im klinischen Kontext. Die
Herausforderung für unser Datenschutzkonzept bestand darin, dass an der
Sammlung von Proben und Daten nicht nur verschiedene Biobankpartner beteiligt
sind, sondern auch rechtlich unterschiedlich eingebundene Einrichtungen: Das
ICB-L ist eine Einrichtung der Universität zu Lübeck. Die Ärzte erheben die
Daten aber im klinischen Zusammenhang, also am Universitätsklinikum
Schleswig-Holstein, dem UKSH. Wenn der Patient eingewilligt hat, werden seine
Daten über eine Schnittstelle vom Klinikinformationssystem (KIS) an das
Biobank- und Studien-Managementsystem übertragen, das von der IT for Clinical
Research, Lübeck (ITCR-L) betreut wird. Das KIS wiederum wird von der UKSH
Gesellschaft für IT Services mbH (ITSG) betrieben, die für das UKSH die Datenverarbeitung im
Auftrag durchführt. Der Datenaustausch zwischen diesen Partnern muss natürlich
datenschutzkonform passieren, und dazu war es notwendig, auf Basis von
Datenschutzkonzepten entsprechende Kooperationsverträge zu schließen. Ich habe
den Datenschutzbeauftragten des Klinikums von Anfang an mit eingebunden. Um uns
in dieser komplexen Situation abzusichern, haben wir das Datenschutzkonzept
auch hier in der TMF vorgestellt und ein Votum der Arbeitsgruppe Datenschutz
eingeholt.
Frau Antony, die
Arbeitsgruppe Datenschutz der TMF bietet Beratung an, um Forschungsprojekte bei
der Erstellung ihrer Datenschutzkonzepte zu unterstützen. Wie läuft das ab?
Antony: Wir
beraten auf Basis der generischen Datenschutzkonzepte, die wir in der
Arbeitsgruppe Datenschutz über viele Jahre entwickelt haben. Diese Konzepte
passen aber natürlich nicht ohne Modifikationen auf jeden Einzelfall. Für
jemanden, der sich nur einmal im Leben mit einem Datenschutzkonzept
beschäftigen muss, ist der Einstieg oft schwer. Hier versuchen wir zu helfen.
Meist kommt die erste Kontaktaufnahme telefonisch in die Geschäftsstelle der
TMF. Wenn das Konzept oder die Idee vorstellungsreif ist, wird in aller Regel
eine mündliche Präsentation in der Arbeitsgruppensitzung organisiert. Häufig
erhalten wir vorab auch schon erste schriftliche Entwürfe. So können wir
demjenigen, der die undankbare Aufgabe hat, ein Datenschutzkonzept zu
schreiben, Hinweise geben, etwas vielleicht noch konkreter zu fassen oder
ausführlicher zu beschreiben. Wir haben jetzt die Arbeitslast für die
Arbeitsgruppe ein wenig gesenkt, denn diese schriftlichen Einreichungen kamen
irgendwann in ungeahnten Mengen oft erst kurz vor der Sitzung. Projekte, die
beraten werden möchten, sollen nun einige wenige schriftliche Ausführungen
mindestens drei Wochen vor der Sitzung eingereicht haben, und die werden dann
in der Arbeitsgruppe verteilt. Die Anzahl der Konzepte, die uns zur Diskussion
angeboten werden, hat doch deutlich zugenommen.
Sie haben mit Ihrem
Datenschutzkonzept für das ICB-L das gesamte Verfahren durchlaufen. Welche
Erfahrungen haben Sie gemacht?
Duhm-Harbeck: Ich
habe das Konzept an die TMF geschickt und von Frau Antony, die sich als
Berichterstatterin für die Arbeitsgruppe damit im Detail beschäftigt hat, kam
postwendend eine kritisch-konstruktive Zusammenfassung. Ich habe die Anregungen
eingearbeitet und das Konzept dann in der Arbeitsgruppe vorgestellt. Die wesentlichen
Punkte waren bei uns die Kooperationsverträge mit den verschiedenen Partnern und
Einrichtungen am Standort. Das war ein bisschen schwierig.
Das heißt, Sie haben
wesentliche Punkte schon vorab geklärt, bevor Sie das Konzept dann in der
Arbeitsgruppe präsentiert und ein Votum erhalten haben?
Antony: Man muss
dazu sagen, dass dieses Konzept sowieso schon recht ausgereift war. Ich bin
unseren Fragenkatalog anhand der schriftlichen Vorlagen von Frau Duhm-Harbeck
durchgegangen und habe ihr gesagt, hier an der Stelle fehlt dies und an jener
Stelle fehlt eine andere Formulierung. Frau Duhm-Harbeck hat das dann sehr
schnell umgesetzt, sodass wir bei der Vorstellung bereits ein votumsreifes
Konzept hatten. Dadurch mussten wir das Konzept nicht in einer nächsten Sitzung
noch einmal durchsprechen, und das ICB-L hat ganz schnell im Umlaufverfahren
das Votum der Arbeitsgruppe bekommen. Das ist aber nicht immer so. Man hat
nicht immer Konzepte, die sich durch eine gute Vorbereitung und gegenseitige
Unterstützung so zügig behandeln lassen.
Wie lange hat das Ganze
gedauert?
Duhm-Harbeck: Wir
haben mit Beginn des Aufbaus des ICB-L begonnen, an dem Datenschutzkonzept zu
arbeiten und haben unter anderem auch ein dreistufiges Patienteneinwilligungskonzept
entwickelt. Das hat ungefähr ein Jahr gedauert. Danach waren wir beide mit
Vorstellung und Begutachtung ganz schnell…
Antony: Ja, zwei
oder drei Wochen, dann waren wir durch. Andere Projekte können aber länger
dauern, manche ziehen sich über Monate hin. Beim ICB-L hat man in der
Vorbereitung natürlich deutlich gemerkt, dass das Konzept von Anfang an an den
generischen Datenschutzkonzepten der TMF orientiert war. Für mich war das viel,
viel leichter bei der Prüfung. Das ist aber bei weitem nicht immer so.
Was motiviert Sie,
Zeit in die Beratung von Projekten zu investieren?
Antony: Meine
wesentliche Motivation, mich in der Arbeitsgruppe zu engagieren und meine
langjährige Erfahrung auch anderen Projekten zur Verfügung zu stellen, rührt
daher, dass dieses Thema Datenschutz bei vielen Forschern zu wenig im Fokus
ist. Ich möchte gerne vermeiden, dass sie in Situationen geraten, die
strafbewehrt sind – und die auch schnell an der Reputation von Ärzten oder
Institutionen wackeln können. Seit Jahren versuche ich darauf hinzuweisen, dass
die Durchführung klinischer Studien nach Arzneimittelgesetz, dass Datenschutz
und Ethik vernachlässigte Themen der Medizinerausbildung sind. Ich bin davon
überzeugt, dass es hierzu für jeden Medizinstudenten wenigstens ein
Pflichtsemester geben sollte. Dann hätten wir alle viel weniger Arbeit
miteinander.
Das Interview führte Antje Schütt.
Weiterführende Informationen
- TMF-Arbeitsgruppe Datenschutz
- Informationen zum Datenschutz-Beratungsverfahren der AG [PDF]