„IT-Validierung ist kein Selbstzweck“
Ronald Speer, Universität Leipzig, zur Validierung von IT-Systemen in der klinischen Forschung
Ronald Speer
April 2016. Forschungsverbünde setzen heute
vermehrt auf professionelle Software-Unterstützung bei der Durchführung klinischer Studien.
Dabei muss sichergestellt werden, dass die Software sowohl der erforderlichen
Qualität klinischer Studien als auch geltenden Regularien und Gesetzen genügt,
d. h. valide ist. Die TMF hat in der Vergangenheit einige Projekte zur
Systemvalidierung in der medizinischen Forschung durchgeführt. Ein neues
Projekt soll nun die Ergebnisse aktualisieren und ein Auditkonzept erstellen,
um gleiche Validierungsstandards in den Forschungsverbünden sicherzustellen.
Ronald Speer von der Universität und dem ZKS Leipzig erklärt im Interview, was
genau die Validierung von IT-Systemen in der klinischen Forschung bedeutet und
welche Herausforderungen er für heutige Forschungsvorhaben sieht.
Das Interview erscheint auch
in der Zeitschrift E-Health-COM 2/3 | 2016.
Herr Speer, was wird unter der Validierung von IT-Systemen in der
klinischen Forschung verstanden? Welche IT-Systeme müssen validiert werden?
Der Begriff der Validierung kommt ursprünglich aus
der Softwarequalitätssicherung und man versteht darunter die Prüfung der
Eignung einer Software für ihren Einsatzzweck. Nach ISO 9000 versteht man unter
Validierung die „Bestätigung durch Bereitstellung eines objektiven Nachweises,
dass die Anforderung für einen spezifischen beabsichtigten Gebrauch oder eine
spezifisch beabsichtigte Anwendung erfüllt worden ist.“ Dies kann anhand von
Konformitätsbewertungen durch Beobachten und Beurteilen begleitet, soweit
zutreffend, durch Messen, Testen und Vergleichen erreicht werden. Einfach
formuliert, möchte man mit der Validierung eines IT-Systems den Nachweis
führen, dass das System das leistet, was es leisten soll. Oder anders, ob man
das Nutzungsziel mit dem verwendeten IT-System erreichen kann.
Damit ist auch klar, welche IT-Systeme validiert
werden müssen. Und zwar alle Systeme die für die Erreichung des Zieles
eingesetzt werden.
Welchen regulatorischen Anforderungen muss eine
IT-Validierung in der klinischen Forschung folgen? Wo ist sie vorgeschrieben?
Die Validierung selbst ist in den gesetzlichen
Normen und Richtlinien oft nicht explizit erwähnt und vorgeschrieben. Jedoch
geben die Regularien wie die ICH GCP-Guideline, der Annex 11 der EU oder eben
die 21 CFR Part 11 der FDA sehr konkrete Anforderungen an die eingesetzten
IT-Systeme vor. Und für den dokumentierten Nachweis dass die IT-Systeme diesen
Anforderungen genügen, ist eben eine Validierung hilfreich und sogar notwendig.
Warum ist eine Systemvalidierung in der klinischen
Forschung wichtig?
Zum einen ist es ja der Nachweis, dass die
IT-Systeme die Anforderungen der obigen Regularien erfüllen. Das ist aber nur
eine Seite. Vielmehr sollte man Validierung nicht nur als notwendiges Übel sehen.
Die Validierung ist ein wichtiger Schritt beim Verständnis und der
Dokumentation der eigenen Prozesse. Sie macht die Prozesse nachvollziehbar und
ermöglicht ein kritisches Hinterfragen möglicher Fehlerquellen. Insofern ist
Validierung nicht nur ein Selbstzweck.
Wie wird IT validiert? Wer nimmt die Validierung vor?
Für die Validierung gibt es keine spezifische Norm oder ein
fest definiertes Vorgehen. Gerade das macht ja die Sache so kompliziert. Oft
kommt es zudem auch noch zu einem Missverständnis zwischen der Verifizierung
und der Validierung. Während man Systemanforderungen in einem Systemtest
verifizieren kann, muss man Nutzeranforderungen validieren.
Eine allgemein akzeptierte Vorgehensweise für die
Validierung ist die Good Automated Manufacturing Practice (GAMP)-Leitlinie.
Diese Leitlinie und ihre begleitenden Regelwerke definieren quasi den
Industriestandard, wie in klinischen Studien (GxP-Umfeld) IT-Systeme zu
betreiben und zu qualitätssichern sind. Sie stellen zwar keine gesetzliche
Richtlinie dar, sondern sind eher unverbindlich, werden aber dennoch als
Referenz betrachtet.
Für die Validierung ist immer der Betreiber des IT-Systems
verantwortlich. Dieser wird oft auch als Systemeigner bezeichnet. In die
Validierung selbst sind dann entsprechend der Prozesse die verschiedensten
Funktionsrollen involviert.
Auf welchem Stand sind die IT-Systeme, die
Forschungsverbünde in klinischen Studien anwenden, heute?
Die Qualität der in den Forschungsverbünden
eingesetzten IT-Systeme haben in den letzten Jahren einen immer besseren Stand
erreicht. Die selbst programmierten Softwarelösungen auf der Basis von Office-Lösungen
wie Excel oder Access wurden immer mehr von professionellen Softwareprodukten
abgelöst. Parallel dazu wurden durch die Koordinierungszentren für Klinische
Studien (KKS) auch die Gesamtprozesse immer weiter professionalisiert. Auf der
anderen Seite aber fehlen aber durch knappe Budgets die Ressourcen für eine
entsprechende Validierung. Sehr oft kommt die Frage nach der Validierung erst
sehr spät, nicht selten wenn das Projekt schon längst begonnen hat und die
ersten Inspektionen vor der Tür stehen.
Sie führen eine Fortsetzung von vorangegangenen TMF-Projekten zur
Systemvalidierung durch. Warum ist eine Überarbeitung notwendig? Welche
Herausforderungen sehen Sie für Forschungsstandorte und
Auditierungsverantwortliche? Wie kann das TMF-Projekt dabei helfen, diese
Herausforderungen zu bewältigen?
In der TMF wurde schon sehr früh der Bedarf an
einer Unterstützung der Validierung in den Forschungsverbünden erkannt. Es
wurden in mehreren Projekten entsprechende Dokumente und Konzepte erarbeitet.
Es gab Schulungen und es wurde Validierungskompetenz in den Verbünden
geschaffen. Die Schaffung von Validierungskompetenz ist jedoch kein einmaliges
Vorhaben, sondern erfordert ein kontinuierliches Vorgehen. Parallel dazu kommen
auch immer neue Forschungsverbünde dazu. Diese müssen schon frühzeitig
entsprechend beraten werden. Das Ziel des jetzigen Projektes ist es somit nicht
nur die Dokumente zu überarbeiten und zu aktualisieren, sondern auch ein
Vorgehen zu entwickeln, wie die Forschungsverbünde bei ihrer Validierung
kontinuierlich begleitet werden können.
Herr
Speer, wir danken für das Gespräch!
Das Interview führte Inger Neick.
Ronald Speer ist Mitarbeiter am Institut für Medizinische Informatik,
Statistik und Epidemiologie (IMISE) der Universität Leipzig sowie am ZKS
Leipzig.
Weitere Informationen
- Websiteder TMF-Projekte zur Systemvalidierung