Home
Über uns
Mitglieder
Arbeitsgruppen
Projekte
Produkte
Publikationen
Stellungnahmen
News
Interviews und Namensbeiträge
Newsletter
Presse
Termine
Stellenmarkt
Online-Services
 

 

"Das Gesamtkonzept muss stimmen"

Interview mit Dr. Rainer Röhrig und Thomas Norgall über die Herausforderungen, die sich mit technikgestützten Gesundheitsservices im privaten Umfeld stellen

Oktober 2011. Die technikgestützte Erfassung von Vitaldaten in den eigenen vier Wänden, medizinische Smartphone-Apps und andere Services setzen sich immer mehr durch. Die diesjährige TELEMED, die am 19. Oktober 2011 in Berlin stattfindet, widmet sich deshalb dem Thema „Telemedizin im privaten Raum – Perspektiven für IT-gestützte Services am 3. Gesundheitsstandort“. Dr. Rainer Röhrig und Thomas Norgall sind die Vorsitzenden des Programmkomitees der Veranstaltung.

Was verbirgt sich eigentlich hinter den Begriffen „zweiter Gesundheitsmarkt“ und „dritter Gesundheitsstandort“ und welche politische Bedeutung haben sie?

Norgall: Seit einigen Jahren wird das wirtschaftliche Geschehen um privat finanzierte gesundheitsbezogene Produkte und Dienstleistungen als „zweiter Gesundheitsmarkt“ bezeichnet. Die Bürger zeigen eine steigende Bereitschaft, eigene Beiträge zur Förderung und Aufrechterhaltung ihrer Gesundheit zu leisten und entsprechende Verantwortung zu übernehmen.  Als „dritter Gesundheitsstandort“ neben Klinik und Arztpraxis etablieren sich weltweit die eigene Wohnung und das private Umfeld, wo laientaugliche medizinische, diagnostische und therapiebegleitende Geräte zusammen mit passenden Informations- und Dienstleistungsangeboten für den privaten Anwender zunehmend zur Verfügung stehen.

Die breite Nutzung dieser Entwicklungen in der Regelversorgung birgt erhebliches qualitatives und ökonomisches Potential, scheiterte in Deutschland aber bislang an fehlenden Modellen zur Finanzierung und Defiziten hinsichtlich Normierung und Ausbau der notwendigen (Telematik-)Infrastruktur.

Röhrig: Die politische Herausforderung ist jetzt, eine Infrastruktur für diese Angebote zu schaffen und im Bereich Verbraucherschutz die Angebote auf ihren Nutzen und ihre Qualität hin zu überwachen.

 

Es gibt bereits einige als wirtschaftlich sinnvoll anerkannte telemedizinische Services. In welchen Anwendungsfeldern?

Norgall: Für mehrere Indikationen, insbesondere Diabetes, Herzinsuffizienz sowie Wundbehandlung wurde der ökonomische und qualitative Nutzen von Telemonitoring nachgewiesen. Auch für telemedizinische Dienste wie den häuslichen und mobilen Notruf besteht ein hoher Bedarf.

Röhrig: Wenn man es genau nimmt, ist der Hausnotrufdienst der älteste und erfolgreichste telemedizinische Service in Deutschland. An diesem Dienst kann man viel lernen:

  • Die Technik muss gerade im häuslichen Umfeld einfach, sicher und beherrschbar sein.
  • Der Wert des Services liegt nicht allein in der Technik – das Gesamtkonzept muss stimmen. Ohne Leitstelle und mobile Helfer zum Türöffnen hätte sich der Hausnotrufdienst niemals durchgesetzt. 

Telematik- und Medizintechnik-Experten fordern eine stärkere Koordination der neuen Angebote und einheitliche technische Standards. Was soll damit verhindert bzw. erreicht werden?

Norgall: Heutige Komponenten und Systeme für den „dritten Gesundheitsstandort“ sind meist Insellösungen, die wegen proprietärer Schnittstellen nur schwer über Herstellergrenzen hinweg erweitert beziehungsweise mit anderen Systemen und Infrastrukturen des Gesundheitswesens verknüpft werden können. Lebenssituation und Betreuungsbeziehungen kranker und älterer Menschen ändern sich aber laufend, Monitoring- und Assistenzsysteme müssen deshalb dynamisch veränderbar sein.

Röhrig: Wenn wir den Gedanken des Hausnotrufes im Zeitalter des Mobilfunks weiterdenken: Das Smartphone kann mit EKG (Pulsgurt) und Bewegungsmelder (im Smartphone) die Bewegung eines Menschen überwachen. Wenn eine Notfallsituation identifiziert wird, ist eine einheitliche Übermittlung an die Leitstelle erforderlich. Diese muss die Daten entschlüsseln können, egal von welchem Gerät sie stammen. Hier dürfen regional abweichende Datenstandards keine Hürden bilden.

Auch wenn Sie Daten aus einem implantierten Medizingerät wie zum Beispiel einem Herzschrittmacher oder einer Arzneimittelpumpe zu Ihrem Hausarzt oder Facharzt senden wollen, müssen Medizingerät, Smartphone und Dienstleister austauschbar sein. Dies lässt sich nur über Standards erreichen. Sie sorgen durch einen gesunden Markt für Innovationen und sind die Basis für eine Qualitätssicherung.

 

Welchen Rahmen setzt das novellierte Medizinproduktegesetz für Telemedizin und AAL-Angebote?

Norgall: Tendenziell steigen die Hürden für den Marktzugang und die Kosten für Produktentwicklung und Dokumentation. Andererseits werden Medizinprodukte aufgrund höherer Anforderungen beispielsweise hinsichtlich der klinischen Bewertung und Prüfung oder der systematischen Behandlung von "schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen" für den Patienten sicherer.

Röhrig: Im Bereich der Telemedizin gibt es durch die Teleradiologie schon lange Erfahrungen mit der Anwendung des Medizinproduktegesetzes. Anders ist es im zweiten Gesundheitsmarkt: Hier fallen Geräte, die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienen, nicht unter die Medizinproduktebetreiberverordnung und unterliegen somit nicht den gleichen Regeln der Qualitätssicherung. Hinsichtlich der Ausfallsicherheit, Verfügbarkeit und Fehlertoleranz bei einer Kombination von professionellen Dienstleistern und heterogenen Medizingeräten sind deshalb im zweiten Gesundheitsmarkt noch viele technische, organisatorische und regulatorische Entwicklungen nötig.

 

Welche Perspektiven für die Vergütung von Telemedizin- und E-Health Leistungen bietet das neue Versorgungsstrukturgesetz?

Röhrig: Das Versorgungsstrukturgesetz bietet die Möglichkeit, ambulante telemedizinische Leistungen in den einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) einzubringen. Damit können sinnvolle Projekte, wie zum Beispiel die Überwachung oder Unterstützung im häuslichen Bereich, die heute schon die hausärztliche Versorgung ergänzen, über die Projektphase hinaus verstetigt werden und die Versorgungsqualität für die Patienten dauerhaft verbessern.

Norgall: Unverkennbar soll Telemedizin zur Sicherung flächendeckender, wohnortnaher ambulanter Versorgung explizit gefördert werden. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum die bisher in zahlreichen, teilweise konkurrierenden Pilotprojekten und Einzelverträgen erprobten Anwendungen in die Regelversorgung überführt werden können. Dafür ist bei den Akteuren noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten.

Herr Dr. Röhrig, Herr Norgall, vielen Dank für das Gespräch!
 


Dr. med. Rainer Röhrig ist Arzt und Medizininformatiker in der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg GmbH, Standort Gießen.
 

Thomas Norgall ist stellvertretender Sprecher der Fraunhofer-Allianz AAL und koordiniert die Fraunhofer-Aktivitäten im Bereich "Personal Health" am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen.
 

  1. Weitere Informationen zur Telemed 2011

News Archiv

September 2023 (7)

August 2023 (2)

Juli 2023 (4)

Juni 2023 (4)

Mai 2023 (6)

April 2023 (4)

März 2023 (3)

Februar 2023 (5)

Januar 2023 (5)

Dezember 2022 (4)

November 2022 (2)

Oktober 2022 (4)

September 2022 (4)

August 2022 (5)

Juli 2022 (4)

Juni 2022 (7)

Mai 2022 (6)

April 2022 (4)

März 2022 (5)

Februar 2022 (1)

Januar 2022 (6)

Dezember 2021 (7)

November 2021 (5)

Oktober 2021 (4)

September 2021 (2)

August 2021 (1)

Juli 2021 (4)

Juni 2021 (6)

Mai 2021 (4)

April 2021 (1)

März 2021 (3)

Februar 2021 (4)

Januar 2021 (4)

Dezember 2020 (3)

November 2020 (4)

Oktober 2020 (3)

August 2020 (1)

Juli 2020 (2)

Juni 2020 (2)

Mai 2020 (2)

April 2020 (4)

März 2020 (4)

Februar 2020 (3)

Januar 2020 (1)

Dezember 2019 (3)

November 2019 (5)

Oktober 2019 (3)

September 2019 (8)

August 2019 (2)

Juli 2019 (4)

Juni 2019 (4)

Mai 2019 (5)

April 2019 (3)

März 2019 (5)

Februar 2019 (2)

Januar 2019 (2)

Dezember 2018 (6)

November 2018 (5)

Oktober 2018 (9)

September 2018 (5)

August 2018 (3)

Juli 2018 (2)

Juni 2018 (7)

Mai 2018 (1)

April 2018 (1)

März 2018 (7)

Februar 2018 (2)

Januar 2018 (7)

Dezember 2017 (6)

November 2017 (2)

Oktober 2017 (3)

September 2017 (4)

August 2017 (1)

Juli 2017 (8)

Juni 2017 (9)

Mai 2017 (4)

April 2017 (2)

März 2017 (5)

Februar 2017 (2)

Januar 2017 (4)

Dezember 2016 (8)

November 2016 (5)

Oktober 2016 (4)

September 2016 (7)

August 2016 (5)

Juli 2016 (8)

Juni 2016 (5)

Mai 2016 (3)

April 2016 (11)

März 2016 (5)

Februar 2016 (3)

Januar 2016 (8)

Dezember 2015 (6)

November 2015 (3)

Oktober 2015 (8)

September 2015 (5)

August 2015 (4)

Juli 2015 (7)

Juni 2015 (7)

Mai 2015 (5)

April 2015 (2)

März 2015 (6)

Februar 2015 (7)

Januar 2015 (8)

Dezember 2014 (6)

November 2014 (9)

Oktober 2014 (10)

September 2014 (3)

Juli 2014 (6)

Juni 2014 (5)

Mai 2014 (4)

April 2014 (8)

März 2014 (8)

Februar 2014 (6)

Januar 2014 (7)

Dezember 2013 (8)

November 2013 (6)

Oktober 2013 (5)

September 2013 (10)

August 2013 (4)

Juli 2013 (8)

Juni 2013 (7)

Mai 2013 (4)

April 2013 (9)

März 2013 (9)

Februar 2013 (5)

Januar 2013 (5)

Dezember 2012 (7)

November 2012 (5)

Oktober 2012 (5)

September 2012 (5)

August 2012 (3)

Juli 2012 (4)

Juni 2012 (4)

Mai 2012 (3)

April 2012 (3)

März 2012 (5)

Januar 2012 (7)

Dezember 2011 (2)

November 2011 (8)

Oktober 2011 (10)

September 2011 (2)

August 2011 (5)

Juli 2011 (3)

Juni 2011 (5)

Mai 2011 (8)

April 2011 (4)

März 2011 (5)

Februar 2011 (3)

Januar 2011 (5)

Dezember 2010 (3)

November 2010 (3)

Oktober 2010 (5)

September 2010 (9)

August 2010 (5)

Juli 2010 (6)

Juni 2010 (12)

Mai 2010 (3)

April 2010 (4)

März 2010 (4)

Februar 2010 (4)

Januar 2010 (1)

Dezember 2009 (1)

November 2009 (1)

Oktober 2009 (5)

September 2009 (8)

August 2009 (1)

Juli 2009 (8)

Juni 2009 (6)

Mai 2009 (2)

April 2009 (6)

März 2009 (5)

Februar 2009 (4)

Januar 2009 (2)

Dezember 2008 (3)

November 2008 (6)

Oktober 2008 (3)

September 2008 (5)

August 2008 (3)

Juli 2008 (5)

Juni 2008 (4)

Mai 2008 (3)

April 2008 (6)

März 2008 (3)

Februar 2008 (1)

Januar 2008 (2)

Dezember 2007 (2)

November 2007 (4)

Oktober 2007 (4)

September 2007 (5)

Juni 2007 (2)

Mai 2007 (1)

April 2007 (6)

Januar 2007 (1)

Dezember 2006 (8)

November 2006 (4)

Oktober 2006 (1)

September 2006 (4)

August 2006 (1)

Juli 2006 (1)

Juni 2006 (3)

Mai 2006 (1)

April 2006 (3)

März 2006 (1)

Februar 2006 (1)

Januar 2006 (2)

Dezember 2005 (3)

November 2005 (1)

Oktober 2005 (1)

September 2005 (2)

August 2005 (2)

Juli 2005 (3)

Juni 2005 (2)

April 2005 (4)

November 2004 (1)

Oktober 2004 (1)

September 2004 (1)

August 2004 (1)

Juni 2004 (2)

Mai 2004 (1)

Februar 2003 (1)

Presseschau

Termine

Interviews

„Nötig ist ein Gesamtkonzept"

Interview mit der EHEALTH.COM (Ausgabe 5/2023)


 
© TMF e.V. Glossar     Datenschutzhinweis     Info an den Webmaster     Seite drucken      Seitenanfang